Im Zug zum Indawgyi-See

 

Fast sind wir schon wieder in der "Zivilisation"  angekommen, nur mehr zehn Stunden Bootsfahrt trennen uns von Mandalay.

Die letzten Tage haben wir am Indawgyi-See verbracht, einem der größten Süßwasserseen Südostasiens im Kachin-State im Norden Myanmars. Doch von Anfang an:

 

16 bis 20 Stunden soll unser Zug nach Hopin brauchen, deshalb haben wir für die Nacht Upper Class gewählt. Unsere 4,50 Euro pro Person haben wir gut angelegt - die Sitze sind sehr komfortabel: Breite ausklappbare Sitze, Fußstützen und per Pedal drehbar. Da vor uns keiner sitzt, drehen wir die Reihe und haben so riesig viel Platz. Und da auch Chinesen gerne das "Gemeinsames Foto"-Spiel spielen, werden auch wieder Fotos gemacht.

 

 

Wir haben uns vorsichtshalber mit Toastbrot und "Buchteln" ausgerüstet, doch unnötig - Verhungern im Zug ausgeschlossen. Händler fahren jeweils einige Stationen mit und bringen alles Mögliche zu essen mit: Huhn mit Reis,

Melonen, Mandarinen, Wachteleier, Baozis...

 

 

Wir fahren wieder durch Sagaing, sehen noch einmal die schöne Bogenbrücke.

 

 

Die Landschaft ist nicht sehr abwechslungsreich, doch überall sehen wir wieder die schönen Mattenhäuser. Brachland, Sonnenblumen, Ochsenkarren, Palmen. Später fahren wir auf einem Damm durch ein Feuchtgebiet: Immer wieder offene Wasserflächen, Reusen, weiße Reiher, Enten... Dazwischen Feldbau.

 

 

Immer wieder wird unser Ticket kontrolliert. Dazu kommen fünf Mann hoch. Einer nimmt das Ticket entgegen, reicht es dem Oberkontrollor, ein dritter nickt, die beiden anderen sind von der Polizei, einmal wird sogar unser Reisepass kontrolliert. Na ja, vierfach kontrolliert hält besser, könnte ja sein, dass wir in der letzten Stunde das Ziel oder die Identität geändert hätten;)

 

Es ist ein schönes behagliches Reisen durch das ländliche Myanmar - in den letzten Tagen hatten wir zu viel Stadt... Mit dem Zug ist es angenehmer, als im Bus, weil man zur Toilette gehen kann, wann man will, und nicht erst, wenn der Busfahrer muss;)

 

Die Leute sind unheimlich nett zu uns. Immer wenn wir wieder einmal ahnungs- und sprachlos dastehen, kommt einer und erbarmt sich und rennt mit uns von Pontius zu Pilatus - und keiner hält hinterher die Hand auf, die wollen alle wirklich nur helfen!

 

Hinter uns sitzt eine Familie mit Neugeborenem und Kleinkind. Beim Baby ist noch die Nabelschnurbinde dran. Waren wahrscheinlich zur Geburt in der Stadt. Über den Zuggang huschen Mäuse. Ach deshalb hängen alle ihre Vorräte auf - das machen wir jetzt auch! Im Wagen gibt es mehrere abschaltbare Ventilatoren, doch die bleiben aus, denn durch die offenen Fenster kühlt der Fahrtwind. Die Fenster sind naturgetönt - sprich superdreckig! Wir knabbern gekochten Kukurruz und entschleunigen.

 

Myanmar versucht sich im Umweltschutz. Die Uraltstinker-Stadtbusse in Yangon wurden gegen modernere ausgetauscht. Vor kurzem wurden dort die Mopdes verboten (!), doch in Mandalay waren die Stinker noch in Betrieb und das Mopedchaos brummt weiterhin. In Yangon gab es Mülleimer, und die wurden auch von den Einheimischen benutzt. Hier im Zug fehlen sie völlig, und deshalb - Richtig! - werfen die Leute, alles, was sie nicht mehr brauchen, einfach aus dem Zugfenster!!! Die Idee, den Müll nach Hause zu nehmen und dort zu entsorgen, ist völlig unbekannt.

 

Die topfebene Landschaft wird zum Reisanbau genutzt. Der Reis wird händisch oder mit kleinen Reisdreschern geerntet. Frauen mit spitzkegeligen Hüten gehen ihrer Arbeit nach. Sie sind gegen den Staub und die Sonne dicht verhüllt. Doch auch die Stadtfrauen schützen sich gegen die Sonne - sie wollen keine braune, sondern möglichst helle Haut. Das finden sie schöner, hat uns gestern ein Mädchen beim Essen erzählt.

 

Unsere Anfangswehwechen haben wir abgelegt, die Verdauung hat sich wieder an ihre tägliche Portion Dreck gewöhnt und funktioniert gewohnt krisensicher. Alle vier Füße treten wieder schmerzfrei auf, und auch sonst funktioniert alles klaglos - aber das wolltet ihr sicher nicht so genau wissen;)

 

Die anfangs hochgelobte Toilette sieht nach zehn Stunden Fahrt dann nicht mehr ganz so gschmackig aus, aber die Belüftung ist gut, bleiben doch alle Zugfenster und -türen während der ganzen Fahrt offen. Trotz allem sind uns die vorherrschenden Hocktoiletten viel lieber als die gelegentlichen Sitztoiletten, weil die immer nur innen gereinigt werden, und dann klebt außen der Dreck von Jahren. Zwar schwimmt manchmal die Hocktoilette ein wenig, aber es ist ja auch nicht so leicht, in dem ständig ruckelnden Zug in das kleine Loch zu treffen;)

 

OK, kleiner Themenwechsel. Das Neugeborene hat sich stundenlang nicht gerührt, sondern schläft in ein Tuch an die Mama gebunden, selig. Jetzt  wird es gewickelt. Der Zwerg ist in ein großes blütenweißes Tuch mit dem ganzen Körper eng gewickelt wie in ein Steckkissen, darunter die eigentliche Stoffwindel, ein kariertes Stofftuch. Beides wird zur Abwechslung nicht aus dem Fenster geschmissen, sondern zum Waschen mit nach Hause genommen. Die vielen weißen Tücher händisch waschen...

 

Die Mama sieht ziemlich erschöpft aus, scheint die Geburt doch erst einige Tage her zu sein. Erinnert euch meine Damen - so kurze Zeit nach der Geburt stundenlang in dem furchtbaren Gerüttel in einem Zug zu fahren, hätten wir uns nicht gewünscht, oder...

 

Nach Stunden durch die topfebene Landschaft endlich die ersten Hügel. Im Hintergrund richtige "Berge" - 200 Meter hoch! In der Nacht wird es eisig kalt. Alle Fenster bis auf unseres bleiben offen, und trotz Winterjogginghose und Daunenjacke frieren wir erbärmlich. Die Birmanen hüllen sich in dicke mitgebrachte Decken und pennen sofort ein, wir zittern dem Morgen entgegen - bis sich eine Birmanin dazusetzt, sich verhüllt – und den Karli gleich mit. So steckt Karl jetzt mit einer fremden Frau unter einer Decke – und auf der steckt auch noch „Love“ 😉

 

Fahrplanmäßig sollte unser zug um zwei Uhr nachts ankommen, wir haben uns auf drei bis vier Stunden Verspätung eingestellt, und jetzt kommt das blöde Ding doch glatt eine Stunde zu früh! So stehen wir um ein Uhr nachts frierend in Hopin am Bahnsteig – und erfahren, dass der erste Lastwagen nach Lonton am See erst um sieben Uhr fahren soll! Und das bei der Kälte! Doch die örtlichen Pick-up-Fahrer erbarmen sich und laden uns zu sich ans Holzfeuer ein. Gemeinsam verdösen wir die Nacht. Von Zeit zu Zeit ein Scheit nachgeschoben – passt schon. Plötzlich um fünf Uhr früh: „Come, come! Go Lake!“ Sie stopfen uns in einen vollbesetzten Minibus, in den gerade noch zwei halbe Birmanen ohne Gepäck passen würden. Gut zusammengefaltet verbringen wir die eineinhalb Stunden Fahrt über den Berg vorbei am Wildlife Sanctuary und einem Militärkontrollposten. Am See dürfen Ausländer bislang nur in Lonton übernachten. Soweit wir wissen, nur in einem Guesthouse. Der Bus lädt uns dort ab und entschwindet – und wir hören, dass das guesthouse voll ist! Mist, und nun?

 

Gemach, gemach, wir werden beim Nachbarn eingewiesen. Seit kurzem dürfen Ausländer auch in Homestays, also Privatquartieren übernachten und mittlerweile gibt es zwei davon in Lonton. Um halb sieben Uhr früh wanken wir schlaftrunken rein – und bekommen gleich ein sehr einfaches Zimmer in einem Holzbungalow mit eigener Terrasse mit Seeblick. Sehr schön!

 


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