Gestrandet

Eigentlich sollte dieser Artikel „Am Boot nach Mandalay“ heißen, doch da wir momentan seit Stunden auf einer Sandbank mitten im Ayarwaddy sitzen, trifft es der neue Name wohl besser.

 

Doch erst noch ein Nachtrag zu gestern Abend. Woran erkennt man in Myanmar die besten Restaurants? Na, weil die meisten Mopeds davor stehen! Auf diese Weise landen wir bei einem Chinesen. Hier gäbe es so interessante Dinge zu verkosten, wie zweifach frittierte Schweineschwarte oder gefüllten Schweinemagen, doch da wir morgen ein Boot besteigen wollen, halten wir uns an gebratene Wasserkresse mit Pilzen, frittierte Hackbällchen und ein Gericht, das "Speziell gebratenes Ei" heißt, sich aber sonderbarerweise unter der Rubrik "Huhn" findet. Es entpuppt sich als etwas Witziges: Offensichtlich wurde Schnee geschlagen und ein großer Ball pochiert. Die große weiße Kugel wird mit einer köstlichen Sauce mit viel Gemüse und Hühnerstückchen serviert. Mit Chilis. Auch zu den Fleischbällchen kommt Chili-Knoblauch-Öl auf den Tisch, und in die grüne Wasserkresse haben die Bücher große, grüne, also quasi unsichtbare Chilischoten eingearbeitet. Wir speien Feuer, aber es schmeckt köstlich. Dazu gibt es Reis zum Löschen, einen in Zitrone marinierten Tomaten-Zwiebel-Salat (man merkt, die Cook it, peel it or forget it- Regel haben wir schon wieder vergessen) und eine Suppe aus Kohl und Seidentofu. Das alles sind die Zugaben, die so dazu kommen, dazu Tee und zum Nachtisch noch Papaya mit Zitronensaft. So eine Mahlzeit kostet mit Bier für beide zusammen ungefähr sechs Euro und sieht so aus, die Papayas sind nicht mit im Bild:

 

 

Dann kaufen wir noch die kleinen, süßen gelben Bananen, die stückweise verkauft werden, das Stück um 5 Cent. Wer je so eine Banane gegessen hat, mag unsere Supermarktware nicht mehr, die hauptsächlich nach Pestizid schmeckt...

 

Doch von Anfang an: Morgens um halb fünf begleitet uns der Hoteldiener zur Bootsanlegestelle  - da Niedrigwasser ist, ankert das Boot außerhalb, alleine hätten wir nie hergefunden. Das hochgelobte Expressboot erinnert an ein Sklavenschiff – enge Sitzbänke innen, durch Planen abgedunkelt und es stinkt! Da sehr wenige mitfahren, haben wir wenigstens ausreichend Platz. Zwei Stunden später ein herrlicher Sonnenaufgang über dem Fluss. 

 

 

Dann fällt Nebel ein, und wir können nur mehr ganz langsam fahren. Im Zickzack wegen des Niedrigwassers kreuzen wir über den Fluss. Zwei Stunden bleibt es noch ziemlich frisch, später kommt endlich die Sonne raus. Die Planen werden aufgezogen und wir genießen den Blick auf das beschauliche Leben am Flussufer. Schiffe sind eher wenig unterwegs.

 

 

Holzflöße transportieren das Holz flussabwärts.

 

Verhungern werden wir nicht, denn das Essen wird uns per Boot an unser Schiff gebracht, wir müssen nur mehr wählen.

 

 

 

 

 

Über diesen schmalen Gang ohne Geländer müssen wir bei voller Fahrt

immer in den Heck des Boots zur Toilette balancieren

 

Langsam sind wir gar nicht mehr so böse, dass wir nicht mit dem Slowboat fahren, denn unser Express ist auch so schon langsam genug. Gerade rechnen wir aus, ob wir wohl eher sechs oder acht Stunden Verspätung haben werden, das macht es plötzlich „Rumms!“, und schon sind wir ziemlich stabil eingeparkt. Mitten im Fluss auf einer Sandbank! Jetzt sollte aber schon eine Idee her, oder?

 

Als nächstes gibt es begnadete Körper zu bestaunen, die ins Wasser springen und den Anker auswerfen. Dadurch wollen sie uns wie mit einer Seilwinde herausziehen. 1. Versuch: „Qualm, stink, quietsch!“ Wir bewegen uns keinen Zentimeter. 2. Versuch:  Detto. Als nächstes versucht ein kleines Boot sein Glück. Erfolg hat es ebenso wenig. Mittlerweile ist es 15 Uhr – gerade sollten wir in Mandalay ankommen, haben aber noch nicht mal die halbe Strecke geschafft. Oje, das wird eine lange Nacht! 

 

 

Plötzlich kommt ein größeres Boot angedüst. Die Verpflegung naht! Wir werden auch auf dieser Sandbank nicht verhungern, denn ein ganzer Schwarm Frauen entert laut schnatternd unser Boot. Unter dem Motto „Jede Krise ein Gewinn“ nutzen sie die Chance, uns Essen zu verkaufen, die wir auch dankbar annehmen, denn wer weiß, wie lange wir hier noch sitzen.

 

Nach vielen nutzlosen Versuchen erbarmt sich endlich ein großes Schiff, das schon die ganze Zeit neben uns liegt und zieht uns raus. Warum sie das nicht schon vor eineinhalb Stunden getan haben, bleibt unklar, aber Hauptsache, es geht weiter. Jede Bootsfahrt in Myanmar ein Abenteuer!

 

Bald darauf verengt sich der Fluss, und es wird hügelig. Die nächste Stunde verbringen wir im Bug unter dem Kapitänsstand und schauen auf den Fluss. Irgendwie hatten wir schon geahnt, dass wir nicht nur den Sonnenaufgang, sondern auch den Sonnenuntergang an Bord genießen werden. Hoffentlich nicht auch noch einen zweiten Sonnenaufgang!

 

 

Eine Stunde später wird es dunkel, und wir sind noch Stunden von Mandalay entfernt. Gut, dass wir eine Matte gekauft haben, jetzt breiten wir sie auf Deck aus, wickeln uns in unsere Decke und Badetücher und schlafen erst mal. Außer uns ist nur ein Ausländer an Bord, ein älterer Australier, frierend in seinen einzigen Pullover gehüllt, ein T-Shirt als Mütze um den Kopf gewickelt. „Ich dachte, das wird romantisch!“, klagt er. „Nach Bagan fahre ich mit dem Bus!“ Wenn man bedenkt, dass wir auf dieser Strecke vor zwei Jahren eine ganze Nacht Verspätung hatten, vielleicht keine schlechte Wahl…

 

Nach Stunden spürt Karin ein Stupsen am Bein. Ratten? Nein, der Aussi hat sich quer zu unseren Füßen auf unsere Matte dazugeklemmt😉 Um halb eins kommen wir endlich in Mandalay an, nur 19  ½ Stunden nach Aufbruch zu unserer 10-stündigen Bootstour. Das Slow Boat hätte 24 Stunden gebraucht – na, dafür war unseres ja der Express😉

 

 


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